Tagebuch Projektwoche Marokko


Marokko: Wo der Westen und der Islam zusammentreffen

Marokko empfängt uns am internationalen Flughafen mit Dutyfree, Starbucks und Mcdonnalds. Sind wir noch im westlichen Zürich oder in Casablanca? Ist Marokko bloss ein Abklatsch des Westens?

Ich versuche einige Eindrücke über die grotesken Gegensätze zwischen den verschiedenen Welten Westen und Islam, die in Marokko eindrücklich aufeinanderprallen zu geben. Es ist allerdings schwierig nur zu beobachten, ohne zu werten und schon gar nicht künstliche Gräben zu schaffen, insbesondere weil ich in einem dieser Systeme aufwuchs und alles andere als neutral urteilen kann. Es sind einfach verschiedene Systeme.

Bereits am nächsten Tag nach der Ankunft erfuhren wir interessante Unterschiede gegenüber dem Westen. Während der Stadtbesichtigung von Marrakesch erzählt uns der Marokkaner Ben, dass jeder Muslim 2-5 % seines Einkommens an Bettler abgibt. Das ist Ehrensache. Das Sozialsystem baut auf reiner Eigenverantwortung statt Staatsdoktrin und Bestrafung.

Beeindruckt war ich von diesem System, da ich während meiner Abwesenheit in der „westlichen Welt“ von unseren Obrigkeiten einen Brief erhielt, mit folgendem Inhalt: „Wird innert 10 Tagen die Steuererklärung nicht eingereicht,… Bei Nichtbeachtung der vorliegenden Mahnung eine Bestrafung wegen Verletzung von Verfahrenspflichten…“ Dafür mussten wir, mit schlechtem Gewissen, in marokkanischen Städten täglich an Bettlern vorbeigehen. Ich erinnere mich an einen älteren Mann mit amputiertem Bein, der bettelnd auf der staubigen Strasse sass. Bei uns würde er in einer Rehabilitationsklinik mit Masseur und Ergotherapeutin verschieden Prothesen ausprobieren und Bewegungsabläufe einüben.
System Eigenverantwortung und Selbstkontrolle prallen auf Bürokratie und Bestrafung.

Ein Wirtschafssystem, das Kapital nicht verzinst (oder zumindest gemäss Koran nicht dürfte) ist im Westen kaum vorstellbar. Eigenfinanzierte Unternehmen und sogar private Häuser, sind bei uns rar.
Es braucht eine Weile bis sich der Tourist an das aggressive Marktsystem gewöhnt hat. Vergebens sucht man das Preisschild. Supercard und Kumulus werden kategorisch abgelehnt, dafür gibt’s „Drei für Zwei“. Ob man’s braucht oder nicht sei dem Touristen überlassen. Es ist jedenfalls anstrengend, den Preis bei jedem Kauf auszuhandeln. Das ist sogar für uns Westler zuviel „Freier Markt“.

Eindrückling sind die Unterschiede was die Religion anbelangt. Leider dürfen wir als „Nichtmuslime“ keine Moscheen betreten. Ich war erstaunt, wie hier Regeln des Korans scheinbar eingehalten werden. Hält sich der Muslim grundsätzlich mehr an religiöse Werte als Christen? Weshalb?

Auch im Strassenverkehr prallen die Gegensätze aufeinander. 4-Bein kontra 4- Rad Antrieb. Klimatisierte Cars überholen hölzerne Esel-Gespanne. Die Strassen sind Autobahn und Säumerpfad in einem. Die verschiedenen Geschwindigkeiten auf dem staubigen Pflaster, provozieren gefährliche Überhohlmanöver.

Wo können wir die Systeme besser vergleichen als im Bereich Hortikultur? Am Rande der Wüste fahren wir an Oasenproduktionen vorbei. An Ineffizienz sind diese kaum zu übertreffen. Während wir nachher hors sol Pflanzenproduzenten, die zu europäischen Konzernen gehören, besuchen. Für uns war der Umgang mit Wasser teils unverständlich. Wir sind mit dem kostbarsten aller Güter Wasser gewohnt verwöhnt und entsprechend verschwenderisch. Sogar uns viel auf, dass am Rande der Wüste mit relativ einfachen Mitteln Wasser gespart werden könnte.
Kaum aus der menschenleeren Wüste, gelangten wir nach Agadir, wo Englische Pups sich reihen. Immerhin ist ein einheimisches Bier erhältlich um den Sand hinunterzuspülen. Krebsrot und von Wohlstand und Überfluss geformte Körper räkeln sich am Strand.
Wie Assgeier lauern die marokkanischen Händler auf Touristen, die sich vor der Rückkehr in die „andere Welt“ mit Souvenirs eindecken. Der Westen hat uns wieder…

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